Der Vielfalt Raum geben – Architektur und Pädagogischer Raum am EBK Köln

Die Architektur des Gebäudes1

Im Neubau des Erzbischöflichen Berufskollegs sind an der Berrenrather Straße in Köln-Sülz die drei ehemaligen Schulstandorte Am Sachsenring, Am Krieler Dom und in der Klosterstraße unter einem gemeinsamen Dach vereint.

Seit Beginn des Schuljahres 2016-2017 wird hier nun in einem architektonisch und innenarchitektonisch außergewöhnlich gestalteten Gebäude der Architekturbüros 3pass und KEGGENHOFF I PARTNER gelehrt und gelernt.

Das Gebäude bietet hierzu vielfältige Möglichkeiten. Betritt man das Schulgebäude geschieht das Unerwartete, es öffnet sich das Foyer, als Lichthof gestaltet. Die Eintretenden haben angesichts des weiten und hohen Raums, der aus dem Atrium und dem Treppenhaus besteht und über dem sich ein durchscheinendes Dach erhebt, das Gefühl von Weite, Höhe, Licht, Offenheit und Freiheit. Hier gibt es keine Begrenzung der Gedanken und der Kreativität, hier sind geistige Höhenflüge erlaubt.

Die sich nach oben verengende Treppe nimmt die von den verschiedenen Standorten kommenden Schüler/innen und Studierenden und Lehrenden mit ihren verschiedenen Traditionen auf, umarmt sie gleich den Kolonnaden des Petersplatzes und führt sie einen gemeinsamen Weg hin zu den Etagen, in denen gemeinsam gelehrt und gelernt wird.

Geometrisch existiert keine Mitte des Schulgebäudes, das Atrium ist die „gefühlte“ Mitte, sie ist etwas nicht Fassbares, sie ist Leere, reiner Raum, der durch die gemeinsame Perspektive aller, die das Lernen und Lehren in diesem Haus gestalten, erfüllt wird.

Die Architektur enthält scheinbare Widersprüche, die Menschen in Bewegung bringen: sie vermittelt gleichzeitig das Gefühl von Drinnen- und von Draußen-Sein, sie umgibt uns freundlich beschützend und öffnet sich dennoch großzügig in Richtung Himmel, sie bietet sicheren Rückzug und schafft doch Kontakt und Nähe.

Der Bau erscheint von außen in der Formgebung eher zurückhaltend und ernsthaft, lässt die Beschwingtheit des Inneren mit je unterschiedlich geschwungenen Kurven in den Etagen und Balustraden nicht erahnen.

Das Dachgewölbe scheint überspannt von gewebten Wellen, Wolkenbilder lassen sich durch die linsenförmigen Öffnungen beobachten. Bewegung ist das vorherrschende Motiv des Innenraums, In-Bewegung-Sein und Sich-bewegen-Lassen ist das Motiv derer, die sich die Welt erschließen und diese mit anderen teilen und gestalten.


1 In diesem Zusammenhang danken wir der Architektin, Frau Judith Kusch, für die Überlassung ihrer Gedanken zur Architektur des Schulgebäudes, die Sie anlässlich der Feier zur Einweihung vorgetragen hat.

Fotos: Constantin Meyer, Köln

Die Innenarchitektur des Gebäudes

Das Innere des Baukörpers wird in seinen fließenden organischen Bewegungen des Atriums einzig durch die im Gesamtkontext prägnanten Räume - Selbstlernzentrum/Bibliothek, Offene Lernzonen, Cafeteria - kontrastiert. Diese Räume, für die das Architektur- und Innenarchitekturbüro KEGGENHOFF I PARTNER in Konzeption und Umsetzung verantwortlich zeichnet, heben sich auf zwei Ebenen ab: zum Einen auf Materialebene - rauer Beton versus warmer Nussbaum - zum Anderen in ihrer Formensprache. Diese orientiert sich an der äußeren, kubischen Geometrie des Gebäudes, dessen Form die Geradlinigkeit der städtebaulichen Situation reflektiert und seine Dynamik, durch Licht und Raumstruktur erst nach dem Betreten offenbart.

Das Charakterisierende des Äußeren wird so als konzeptionelle Referenz und im Sinne der Synthese der Disziplinen und Raumatmosphären in den Innenraum getragen.

Nussbaum wird durchgängig auf alle Sonderbereiche angewendet und schafft so deren Verbindung und Zusammengehörigkeit, zoniert den Raum und bietet somit seinen Nutzern Orientierung. ‚Bandartig’ zieht sich das Material über Boden, Wand und Decke und gleicht somit einem kompakten Raummöbel. Es verortet in sich, rahmt und fasst den zugewiesenen Platz konsequent, wodurch die angedachte räumliche Geste selbsterklärend formuliert wird; subtil und dennoch offensichtlich.

Die Deckenflächen der Sonderbereiche zeigen sich in ihrer Konstruktion, fächern sich auf und suggerieren, obwohl formal Teil des Bandes, Weite und Offenheit – in Anlehnung an die architektonische Gestaltung. Die Räume Selbstlernzentrum/Bibliothek, Offene Lernzonen und Cafeteria sind ‚Inseln’ in der Offenheit und gefühlten Weite der Bewegungs- und Verkehrsflächen. Freie Gestaltungsmöglichkeiten, Raum zum Lernen und Lehren, findet sich in der Variabilität der zonierenden „Möbel“ wieder. Die Variabilität, die sich als konkrete Optionen in den Außenflächen befinden, unterstützen ihrerseits den differenzierten, individuellen und zur Eigenständigkeit motivierenden didaktischen Ansatz der Ausbildung am Erzbischöflichen Berufskolleg.

Fotos: Constantin Meyer, Köln

Kunst am Bau

In den drei Treppenhäusern mit jeweils fünf Etagen hat der Kölner Künstler Volker Saul 15 stilisierte Beinformen installiert. Es sind farbig lackierte, bis zu 260 cm große, auf die Wand montierte Aluminiumschnitte mit dem Titel IN BEWEGUNG.

Die Arbeit thematisiert die Funktion des Ortes und im übertragenen Sinne auch die Lebensphase der Schüler*innen und Studierenden: Die bewegte und bewegende Lern- und Entwicklungsphase zwischen Schule und Berufseinstieg. „Bewegung“ kann so im Sinne von Veränderung, „Fortschreiten“, Entfaltung verstanden werden. Über Humor und Emotionalität werden die Schüler*innen und Studierenden mit einer Bildsprache angesprochen, die vielen aus ihrem Lebensumfeld vertraut ist, der Formensprache von Comics.

Die Beinelemente sind gewissermaßen „im Anschnitt“ auf der Wandfläche positioniert, so dass sie an jeweils unterschiedlichen Stellen aus der Architektur herauszuragen scheinen. Die geschwungenen organischen Beinformen greifen die Schwingungen der Etagen in der großen Haupthalle auf. Die Oberfläche der Objekte und Lackierung in Verkehrsgelb korrespondiert mit der Materialität und Ästhetik der Sichtbetonwände.


Fotos: Peter Hinschläger

Kunst am Bau

Der Pädagogische Raum

Mit der Architektur und Innenarchitektur des Gebäudes wurde ein Pädagogischer Raum geschaffen, der einen lebendigen Prozess des Lehrens und Lernens möglich macht. Gerade die Aus- und Weiterbildung von sozial- und heilpädagogischen Fachkräften in berufs- und studienbezogenen Bildungsgängen erfordert ein „in Bewegung-Sein“ und einen Perspektivwechsel in vielfältigen Beziehungssystemen.

Um es sinngemäß mit den Worten von Martin Buber zu sagen: Nur im Dialog mit dem DU erkenne ich mein eigenes ICH.

Der Pädagogische Raum – er misst die Abstände zwischen den Dingen, zwischen dem Ich und dem DU. Raum - er lässt sich füllen.

Wir können Dinge und Beziehungen darin platzieren.

Wir leben aus einem Innenraum, der Orte im Außenraum besetzt, sich dort zentriert, indem er Achsen nach außen aufspannt und Perspektiven gewinnt.

Eindruck und Ausdruck, Hereinnehmen und Hinausgeben haben somit räumliche Struktur.

Wir „füllen“ uns selbst mit äußeren Eindrücken und Anschauungen, mit Wahrnehmungen und Empfindungen und gewinnen an „innerer“ Substanz.

Umgekehrt „füllen“ wir den äußeren Raum mit Bewegungen, Aktivitäten, Sinn und Bedeutung.

Fotos: Constantin Meyer, Köln

Räume bilden

Raum als ein didaktischer Ort des eigenaktiven, selbstorganisierten, forschenden Lernens. Was ist damit gemeint?

Es geht dabei um das didaktische Verständnis von Unterricht und Lernen, das sich in der pädagogischen Grundhaltung der Lehrenden und in der vielfältigen Lernorganisation zeigt, das instruktive Lehren zurückzunehmen und die Tätigkeiten des Lernens im Sinne der Selbstbildung herauszufordern.

Schüler*innen und Studierende arbeiten in Szenarien weniger nach Anweisung, sondern werden durch berufliche Lern- und Handlungssituationen herausgefordert, selbst Entscheidungen zu treffen, ihr Lernen zu planen, zu organisieren und ihre Kompetenzentwicklung stärker eigenverantwortlich zu steuern und ihr Lernen metareflexiv zu bedenken.

Lehrende werden hier zu Lernprozessbegleitern.

Offene Lernzonen

Offene Lernzonen sind Cluster, in denen durch eine vielfältige und variabel gestaltete Lernumgebung individuell und gemeinsam gelernt werden kann. Die in den offenen Lernzonen vorhandenen Arbeitsbereiche bieten durch flexibles Mobiliar eine funktionale Erweiterung des klassischen Fachunterrichts.

Das je unterschiedliche Setting der Lernzonen ermöglicht es den Schüler*innen und Studierenden, ihren Raum für ihren Lernbedarf einzurichten, fordert immer wieder zu Bewegung heraus, ermöglicht somit Aktivierung und Motivation. Der problemlose Wechsel zwischen individuellem und gemeinschaftlichem Lernen und kurzem individuellem Rückzug zur Rekreation unterstützt erzeugt ein optimales ein gutes Aktivitätsniveau, dass die Lernbereitschaft und -fähigkeit im Laufe eines Schultages lange aufrechterhält.

Im Sinne der konstruktivistischen Didaktik bewirkt gerade die selbstaktive Gestaltung und Veränderung der Lernumgebung im Außen die innere Konstruktion bzw. De- und Rekonstruktion eigener Lerninhalte, so dass sich die Lernenden als selbstwirksam erleben.

Selbstlernzentrum – Bibliothek

Für unser „Haus des Lernens“ ist die Bibliothek Mittelpunkt unseres Selbstverständnisses. Die Bibliothek besticht durch ihr Raum- und Lichtkonzept. Sie vermittelt Weite und Licht und ermöglicht ein Durchatmen im bewegten (Schul)Alltag. Die vielfältige Nutzung findet sich in der Gestaltung wieder, die neben sich nach hinten öffnenden Regalen sowohl formal gestellte Arbeitstische als auch gemütliche freistehende Sessel mit kleinen Ablagetischchen enthält.

Eine computergestützte Ausleihe ermöglicht Lernenden wie Lehrenden die Informationsbeschaffung, die zu einer qualifizierten Unterrichtsvor- und -nachbereitung erforderlich sind; hier findet der/die einzelne Schüler*in und Studierende den Ort, an dem er/sie solchen Fragen vertieft nachgehen kann, die im Unterricht nur angeschnitten oder nicht in der gewünschten Intensität erarbeitet wurden.

Die Schulbibliothek ist Raum, der einlädt zum Verweilen, dessen Angebote und Herausforderungen zum Lernen, zur selbsttätigen Auseinandersetzung „locken“.

Fotos: Constantin Meyer, Köln

Raum des gemeinschaftlichen Lernens und Lebens

Soziales Lernen wird herausgefordert, wenn wir die Beziehung zu uns selbst, zu anderen, zu den Gehalten und zur Zeit vertiefen; wenn vielfältige Formen, Inhalte und Prozesse einladen zu kommunizieren und zu kooperieren.

Die Vielfalt der Sozialität gelingt in variablen Arrangements im Klassenraum sowie in weiteren Kommunikations- und Kooperationsräumen:

Offene Lernzonen, Selbstlernzentrum/Bibliothek, Flure, Schulhof, Cafeteria, die angrenzende Kirche St. Johannes XXIII und insbesondere in dem pulsierenden Herz der Begegnungen - das Atrium.

Soziales Lernen wird ebenso herausgefordert, wenn Schule sich als Lebensraum, als partizipativer Raum versteht, in dem auch Aufgaben, Prozesse und Probleme gemeinsam mit Schüler*innen und Studierenden zu kommunizieren und zu lösen sind. Kontakte, Beziehungen, Netzwerke werden nach innen wie nach außen zu unseren vielfältigen Kooperationspartnern gestaltet und gelebt.

Die Aus- und Weiterbildung der sozial- und heilpädagogischen Fachkräfte sehen wir als eine Ausbildung im Dialog, eine gemeinschaftlich verantwortete Form des Lehrens und Lernens an den Lernorten Schule und Praxis.

Fotos: Carsten Arntz

Erfahrungs- und Entdeckungsraum

„Wir glauben Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns“ (Eugène Ionesco)

Das Lernen bedarf der eigenen Erfahrung, der Bewegung, der Tätigkeit, des Prozesses und Produktes, um in der Reflexion diese ordnend mit Sinn und Bedeutung zu belegen und zu begründen.

Nicht nur das, was uns im Lernprozess begegnet, sondern die Lern-Bewegung selbst wird zum Gegenstand, der gemeinsam bedacht, beobachtet und reflektiert wird, im Besonderen im Sinne der doppelten Vermittlungsdidaktik in Bezug zu sich selbst und den Adressaten des pädagogischen Handelns.